Montag, 27. April 2009

Schlange stehen auf den Tai Shan

Von Tai Shan


Vor uns liegen die Ausläufer des Tai Shan im Dunst. Bergkette um Bergkette zeichnet sich ab, mit der Entfernung immer schwächer werdend. Der Horizont ist nur schemenhaft zu erkennen. Langsam färbt sich der Horizont schlierenförmig rot. Es wird heller und heller. Gleich wird die Sonne aufgehen. Als das rote schon fast verschwunden ist, taucht ihre obere Kante über dem Horizont auf und taucht den Tai Shan in oranges Licht, trennt in dem Dunst plötlich Licht und Schatten. Ein recht schöner Moment, den man in der Regel in Stille genießt, denn wer steht schon um 5 Uhr freiwillig auf? Applaus braust auf, vereinzelt sind Jubelschreie zu hören. Als zu allem Überfluss auch noch das erste Megaphon eines chinesischen Reiseführers erklingt, und wahrscheinlich so etwas sagt wie "Da habt ihr die Sonne, los los wir brechen wieder auf, hier gibts nichts mehr zu erleben", wird endgültig klar: Wer nach Ruhe, Einsamkeit und spiritueller Erfahrung sucht, dem ist von einer Pilgerreise zum Taishan wohl eher abzuraten.

Von Tai Shan
Man ist hier nicht allein... :)

In den Maiferien letztes Jahr sind zum ersten Mal über 200.000 Leute auf dem Berg gewesen, in 5 Tagen. Da das Ding beileibe nicht so groß ist wie etwa der Hua Shan oder der Huang Shan, verliert sich diese Menge auch nicht. Demzufolge ist alles auf Massenandrang ausgelegt. Die Treppen haben die Breite der A5 nähe Frankfurt, dennoch hat man das Gefühl gerade für Robbie-Williams-Karten oder ein Zugticket für das Chinesische Neue Jahr anzustehen.

Von Tai Shan
Bänder in den Bäumen, bestückt 1 Yuan-Scheinen

Was uns ausgerechnet dorthin gezogen hat? Versprechen von langem Leben, sobald man das Süd-Himmels-Tor durchschritten hat und das Gefühl den 11 chinesischen Herrschern etwas vorraus zu haben, die es nur auf Sänften hinauf geschafft haben. Und natürlich der berühmte Sonnenaufgang, der einem neue Lebensgeister einhauchen soll. Als heiligster Berg Chinas ist der Tai Shan ist der meistbestiegene Berg der Welt und dementsprechend eine gute Gelegenheit zu erleben, was es heißt in einem 1.4 Mrd. Volk zu leben das Bergsteigen als Volkssport auserkoren hat.

Von Tai Shan
Guido schleppt sich und seine Kamera die Highway-Treppe hoch

Gemeinsam mit Guido, Flo und Shan und Alice ging es am Samstag mit dem D-Zug nach Tai'an, am Sonntagmorgen die gleiche Strecke zurück. Die Nacht verbrachten wir auf Holzbetten oben auf dem Gipfel für relativ wenig Geld. Der Trip war durchaus lustig, denn Spaß ist ja immerhin was man selbst draus macht. Ein kleines "wer sich am schnellsten durch die Menge kriegt"-Rennen auf dem Rückweg trug ebenso zur Stimmung bei wie deutsche Schulspiele (dank Daniel, der Alice das mit dem "du hast in meinen Kreis geguckt!"-Spiel beigebracht hat :) ) und das Tsingtao, für das man auch gerne den Hochtrageaufpreis zahlt.

Von Tai Shan
Inschriften im Berg

Richtig schön am Tai Shan war, sämtliche chinesischen Bergtraditionen in reinster Form vorzufinden. Es werden Schlösser für die liebsten graviert und aufgehängt (wenn sie abfallen geht der Wunsch in Erfüllung), Bänder für Liebespaare und Ahnen mit Geld bestückt und in die Bäume gehängt. Weiterhin sind überall Inschriften von berühmten Persönlichkeiten in den Berg gehauen. Und natürlich, das darf nicht fehlen, sind die Leute zu tausenden in der Nacht den Berg hoch um dann mit in Menschenmassen den Sonnenaufgang zu bejubeln.

Von Tai Shan
Die "Welcoming-Pine": Jeder Berg der was auf sich hält hat so ein Ding

Das wir es überhaupt so locker nach oben geschafft haben, verdankten wir einem weiteren Musterbeispiel von chinesischem Guanxi: Ein Typ, den Shan mal im Zug nach Shanghai kurz kennengelernt hatte, holte uns vom Bahnhof ab und fuhr uns zum Berg. Man hat halt überall seine Leute...

Ein paar wenige Fotos von mir gibt's hier.

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