Sonntag, 19. Oktober 2008

Schweigen und genießen.

Schweigen und genießen...

Mein Gefühl sagt mir, es ist etwa 7:00 morgens. Obwohl ich die Augen noch geschlossen habe, merke ich, dass es hell ist. Ich wechsle gerade von der Schlafphase zum morgendlichen Dösen. Etwas übermüdet versuche ich, es mir durch Umdrehen noch ein bisschen gemütlich zu machen. Schlaftrunken weiß ich nicht direkt, wo ich mich gerade befinde. Das der Boden recht hart ist, verwundert mich (angesichts der Uni-Betten) nicht wirklich. Als ich auf Widerstand, gebildet aus Zelt, Schlafsack und Mensch neben mir stoße, werde ich stutzig. Soso, ich bin doch nicht im Wohnheim... Für ein paar Minuten bin ich zu faul, weitere Nachforschungen anzustellen. Es geht weiter, als ich ein Rudel emsiger Chinesen wild diskutieren höre. Ich begreife just in dem Moment, als sie meinen Schlafplatz aus nächster Nähe untersuchen. Und dabei dann ganz plötzlich leise flüstern, nur um dann einen Meter weiter wieder ganz normal weiter zu quatschen.

Vielen Dank. Ich bin auf der Mauer. Auf DER Mauer. Das von Masse und Länge größte Bauwerk der Weltgeschichte. Und zwar nur zu viert, nicht zu acht, wie wir unsere Expedition gestartet sind. "Juuuungs, es gibt Kaffffeeeee!!!" Schallt eine weibliche Stimme vom Turm herunter. Ok, ich glaube, ich muss von Beginn an erzählen.

Die chinesische Mauer ist unumstritten ein Muss für jeden, der sich in China aufhält. Für Tony Hawk, David Copperfield und (in der Reihenfolge) auch für jeden normalen Voll-Touri mit Mercedes-Benz Kappe und Colaflasche in der Hand. Dementsprechend sehen die restaurierten Mauerstücke dann auch aus. Da hatten wir nun wirklich keine Lust drauf. Dennoch wollten wir unbedingt diese Erfahrung machen, "dieses so gigantische, so einzigartige und so dermaßen unwahrscheinliche Bauwerk" (Beijing Excursion Guide) selbst zu erleben. Was also tun? "...you can camp out in one of the towers..." - Das lassen wir uns nicht zweimal sagen! Schwups, ein unrestauriertes Stück rausgesucht und los gehts.

Flo, Stefan, Paul und ich brechen also am Freitag morgen auf und fahren mit U-Bahn-Public Bus-MiniBus nach Jiankou, 73 km nördlich von Beijing. Geplant war, dass Henning, Daniel, Guido und Johannes am Nachmittag in das von uns zu suchende Quartier nachkommen. Der Minibusfahrer verfährt sich, obwohl einheimisch, mindestens 5 mal. Das macht uns noch nicht stutzig. Im Ort angekommen, machen wir uns abmarschbereit und wandern los. Wir befinden uns zu dem Zeitpunkt am Fuße eines ziemlich gigantischen Berges, auf dessen Spitze wir das erste Stück Mauer erkennen können. Auch das macht uns noch nicht stutzig. Der Weg geht bestimmt zu einem niedrigeren Stück! So nach ca. 45 Minuten und einem Gefälleanstieg von 5% auf gefühlte 120%, werden wir so langsam nachdenklich. Der Weg wird doch nicht... der wird doch nicht... Er wird. Der Weg ging genau dahin, auf den höchsten Punkt weit und breit :). 3 Stunden später sind wir schließlich angekommen. Völlig erschöpft und ca. 700-800 Meter höher. Mit dem Schrei "Da ist das Ding!!!", frei nach Oliver Kahn, feiern wir das plötzliche Auftauchen der Mauer vor unseren Augen.

Der Ausblick abends
Vögel kreisen..mystic china at its best

Oben angekommen, treffen wir drei nette ukrainische Studenten, sonst niemanden. Wir kommen an dem Turm raus, von dem ich im Internet gelesen hatte. Er soll in angenehmer Entfernung von Mutianyu, dem Ziel unserer Reise, liegen und somit als Übernachtungsmöglichkeit optimal sein. Wir beziehen also Stellung. Die Ukrainer sind bald weg, so dass wir die Mauer ganz für uns alleine haben. Ein tolles Bild! Auch wenn der Sonnenuntergang dank schlechter Sicht dann nicht wirklich berauschend ist, werden Endorphine frei bei jedem Blick über die Brüstung unseres Schlafplatzes. Wir wollen die anderen gebührend emfangen und suchen schonmal Holz für ein anständiges Lagerfeuer. Das ist bald in ausreichender Menge aufgetrieben. Unterdessen finden sich weitere 4 Wanderer im Turm ein. Deutsche - lustiger Zufall. Auch aus Peking - schon besser. Pamina ist dabei - ein Mädel dass ich beim DAAD Ausflug kennengelernt hab - was kommt noch? Ja, das war noch nicht alles. Vera - eine Arbeitskollegin von meinem Bruder ist auch am Start. Dazu noch Garry aus Hongkong und Christian aus Hessen.

Man beachte den Verlauf der Mauer...Dies ist der atemberaubende Blick von dem Turm, in/an dem wir übernachtet haben

Nach ca. 1 Stunde fleißiger Versucherei kriegen wir schließlich ein Lagerfeuer an. Mittlerweile ist es dunkel. Ker, wat gemütlich! In alter Pfadfindermanier spielen die anderen 4 diverse Frage-Antwortspiele. Wir trinken ein paar Bier, grillen Maiswürstchen (wer braucht schon Käsegriller?), Trockenfleisch und Toast. Ein Traum! Die Stimmung ist ungetrübt. Ungetrübt? Was ist eigentlich mit den anderen? Ja, die andern. :) Lässt man die vier EINMAL alleine losziehen... Um 20:00 erreichen sie Jiankou - alles nach Plan. Um ca. 23:10 erreicht uns die SMS "Wir finden die Mauer nicht - pennen im Wald". Paul kriegt sich nicht mehr ein und pointiert die Situation: "Wir sind ja jetzt nicht irgendwo, wir sind auf der größten Mauer der Welt! Wie kann man die nicht finden?" Naja, die anderen haben wohl irgendwie ne andere Abzweigung genommen... Wirklich schade, denn wie sich herausstellt werden wir erst im Wohnheim wieder aufeinandertreffen. Ein paar Bierchen später begeben wir uns satt und zufrieden in unsere Zelte.
Rechts, links - Fehlanzeige! Da gehts runter, und zwar recht schnell :)

Ein paar Eindrücke

Morgens gibts dann Frühstück und tollen Kaffee von den anderen. An "unserem Turm" treffen wir witzigerweise morgens William Lindesay, von dem wir schon viel gelesen haben. Der Mann ist die gesamte Ming-Mauer abgelaufen und engagiert sich mit einer Stiftung für deren Erhaltung. Ein beeindruckender, unglaublich netter Mann! Die Sonne schenkt uns zwar keinen Aufgang, aber dafür großartiges Herbstwetter am Nachmittag. Die ganze Landschaft ist in prachtvolle Rot- und Grüntöne gekleidet. Wahnsinn! Fast auf dem ganzen Stück nach Mutianyu sind wir alleine.

Hier war die Mauer "etwas" ausgedünnt :)

Es geht rauf und runter, teilweise steil und sehr schmal. In Mutianyu geht dann wieder der normale "Reisen-in-China-Alltag" los, mit Fotografiert werden, kichernden Mädels und dicken Amis und Europäern, die nicht wirklich in die Szenerie reinpassen.

Mit der Gondel gehts dann runter, ab nach Peking. Mir tun die Finger vom Schreiben weh :). Auf bald.

Die Rucksäcke waren soo schwer, dass sie ein bisschen nach hinten gezogen haben :)

Diese Farben...
Diese Chinesen...

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