Dienstag, 21. Oktober 2008

Dr. Dschaennsen klärt auf: Die Mauer, eine unwirkliche Welt


Das Ding

Viele Mythen ranken sich um die große Mauer, den chinesischen Wall, Changcheng! Woher sie kommen ist unklar, viele existieren, einige sind wahr, manche jedoch frei erfunden. An dieser Stelle möchte ich aufräumen und ein paar Fakten zum größten Bauwerk der Weltgeschichte aufzählen:

1. Die Mauer ist ein einzelnes, zusammenhängendes Bauwerk
Sogar viele Chinesen glauben, dass es nur eine einzige Mauer gibt, die sich an einem Stück durchs ganze Land zieht – so ein Quatsch. Mal ehrlich, als ob Herr Rüttgers einfach seinen Zaun durch Becksteins Garten ziehen dürfte? Man darf ja nichtmal mit einem Ticket von einem Verkehrsverbund in den Anderen, wie dann einfach eine Mauer durch ein paar Königreiche ziehen?
Wahr ist, viele chinesische Königreiche haben ein Stückchen errichtet, um sich vor den jeweils anderen Königreichen oder vor den Nomaden aus dem Norden zu schützen. Manche Dynastien bauten neue Mauern, manche restaurierten Mauern ihrer Vorgänger, manche bauten parallel zu alten Mauern Neue, etc.. Die Mauern wurden stets in ungeschützen Gebieten errichtet, natürliche Schutzwälle wie steile Berge und Klippen wurden in die Verteidigung mit eingearbeitet. Die Mauer war also nie ein einziges, zusammenhängendes Bauwerk. Da hatten ja die Römer schon mehr drauf (oder?)!

2. Man kann die Mauer aus dem Weltall sehen
Der enttäuschte Taikonaut klärte auf: Man sieht sie nicht.



3. Reis wurde als Mörtel für die Mauer benutzt
Die Stadtmauer in Xian wurde mit Mörtel errichtet, in dem tatsächlich Reis enthalten war – also garnicht so abwegig. Auch, wenn man sich den Zerfall neuer Gebäude ansieht, könnte man die Geschichte glauben. Dieser Mythos lässt sicher bisher weder belegen, noch abstreiten, da chemische Analysen der Mauer bisher nicht abgeschlossen wurden.
Frühe Mauerwerke wurden allerdings noch nichtmal mit Mörtel errichtet, sondern einfach mit gepresster Erde, gestapelten Steinen und Lagen aus Strohmatten dazwischen. Erst die Ming begannen ihre Mauern mit Mörtel zu verstärken und erst im 16. Jhd. wurden große Gebäude vollständig aus Stein und Mörtel gebaut.



4. Die Arbeiter wurden unter der Mauer begraben
Das klingt cool, nicht wahr? Und das passt ins westliche Bild vom Osten: Knochen unter der Mauer in China, die Knochenstaße in Russland… alles Verbrecher & Kannibalen, die taugen doch höchstens für Bösewichte in alten James Bond Filmen! Aber auch „Bösewichte“ sind nicht dumm: Die Körper würden verrotten, ein Loch hinterlassen und damit die ganze Struktur schwächen. Dieser Mythos ist eng verbunden mit der Vorstellung, dass eine riesige Sklaven-Arbeiter-Armee die Mauer errichtet hat. Allerdings ist wenig bekannt, über die frühen Mauerarbeiter. Die Ming Mauer wurde z.B. sowohl von Soldaten, als auch von zivilen Arbeiten und Handwerkern errichtet. Gebaut wurde meist Stück für Stück, in vielen kleinen Projekten und über lange Zeiträume hinweg. Allerdings weiß man heute, dass manche Baukampagnen hunderte, tausende bis über eine Millionen Arbeiter brauchten.

5. Die Mauer wurde als Schnellstraße genutzt
Jetzt guckt Euch den Mist doch mal an, soll da wirklich ein Wagen drauf passen, beladen mit Steinen und Werkzeugen? Naja, teilweise ist die Mauer wirklich „Wagen-breit“, meist jedoch sehr schmal, selbst zwei Personen haben es schwer aneinander vorbeizugehen.
Aber wenn sie so schmal ist, wie wurde dann gebaut? Woher Nachschub und Versorgung? Mit ausgeklügelten Liftsystemen an jedem Stück. In vielen Tälern gab es zusätzlich ein kleines Fort hinter der Mauer, von wo aus Arbeiter ausgesandt wurden. Etwas weiter weg waren Soldaten stationiert und es gab Kornkammern zur Versorgung aller Arbeiter und Soldaten.

6. Rauch und Feuer dienten als Signale
Und John Wayne hat mit dem Kaiser Playstation gezockt. Dieser Mythos stimmt sogar. Genauso wie die Tatsache, dass Wolfsmist bevorzugter Brennstoff für Rauchsignale war. Die üblichsten Methoden, um sich gegenseitig vor Angriffen zu warnen, waren allerdings Schüsse, Leuchtsignale (Feuerwerk) und Flaggen. Diese Signale alarmierten die Forts vor Ort, die Verstärkungen schickten. Diese Verstärkungen sendeten Läufer zurück, um genauere Informationen über die Angreifer weiterzugeben. Es ist vielleicht nicht bekannt, dass in China bereits um 1044 salpeterhaltige Brandsätze verwendet wurden und, dass spätestens im 13. Jahrhundert mit Schwarzpulver gefüllte Bomben als Waffen eingesetzt wurden. Die Chinesen verwendeten also kleinere Kanonen (Musketen) zur Verteidigung, genauso wie Granaten, die aus ausgehüllten, versiegelten Steinen, gefüllt mit Schwarzpulver bestanden.



7. Die Mauer hat seinen Zweck nicht erfüllt
Ein großer Haufen Mist also, viel Stein um nichts, so eine Art Super-C (Aachen)? Aushängeschild für die Verwaltung und Prestigeobjekt zur Abgrenzung gegenüber dem Pöbel? Ja, nach all den Ausgaben und Mühen, sind die Mongolen in China eingefallen.
Man beachte, die Ming Chinesen konnten im 15. Jhd. Nicht mehr weiter in den kalten Norden vordringen – kein Geld & keine Versorgung mehr. Da sie aber das eroberte Gebiet nicht aufgeben wollten, musste man es verteidigen. Also entweder viele einzelne, gut verteidigte Außenposten errichten und das Land dazwischen opfern, oder eine starke Verteidigung für das ganze Gebiet errichten. Letzteres fordert eine ausgedehnte, verstärkte Verteidigungslinie und genau das war die Mauer. 1554 und 1561 wurden zum Beispiel zweimal zehntausende Mongolen erfolgreich davon abgehalten, ins Land einzudringen. Letztlich hat sich die Mauer zwar an manchen Stellen der Geschichte als unzureichende Verteidigung erwiesen, war aber für die Ming zum Erhalt der territorialen Vorherrschaft äußerst wichtig.


8. Da oben gibt’s nichts, außer Steinen, Bäumen und Wind
Das ist doch total Humbug. Flora & Fauna sind abwechslungsreich und bieten dem Menschen alles, um sich selbst zu versorgen zu können. Natürlich gibt’s Heuschrecken und kleine Echsen, Vögel und Insekten, aber was keiner bisher so genau wusste: Yaks.
Der geschickte Jäger erklimmt bei Dämmerung den nächst besten Baum und hält mit seinen Adleraugen Ausschau. Bereist nach kurzer Zeit regen sich große, dunkle Schatten im Dickicht: Das gemeine, chinesische Hochland Yak. Verwöhnt von naturfremden Großstadtchinesen, wagt es sich mittlerweile immer näher an den Lebensraum Mauer heran. Mit dem rascheln einer billigen Plastiktüte aus dem Supermarkt angelockt, ist das Halsband auch schon angelegt. Neugierig folgt das Yak meist bis zum Hort des entschlossenen und hungrigen Jägers. Dann das alte Teamspiel: Hinknien und schubsen, schon ist das Yak über dem Feuer und röstet vergnügt vor sich hin. Selbst dem Steak-Stempel hat es nur eine ruhiges Muhen entgegenzusetzen. Besonders friedliche Exemplare stellen sich nach längerer Diskussion auch gerne freiwillig über das lodernde Feuer. Wer nicht gierig ist und auch für den nächsten Besucher noch etwas Fleisch übrig lassen möchte, entlässt das Yak wieder aus seinem Dienst und schickt es zur Reha wieder in den Wald. Bald ist das Steak wieder nachgewachsen und erfreut den nächsten Jäger mit einem saftigen Abendessen.



Fakt ist: Die Mauer ist einen Besuch wert!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Nicht schlecht. Welches Programm benutzt du eigentlich um die HDRs zusammenzubasteln?
Und irgendwie kommen mir die Punkte 1-7 bekannt vor :-)