Sonntag, 5. Oktober 2008

Guoliang - Spaß ist, was wir draus machen

Hupen. Hupen; laut, ununterbrochen und nervtötend. So ließe sich ziemlich prägnant unser gesamter Auf- und Abstieg in das kleine Dörfchen Guoliang im Westen der Henan Provinz beschreiben. Mühsam, im Schweiße unseren Angesichts, schleppen wir unsere Rucksäcke die 3 km lange "Dorfstraße" den Berg hinauf. Es ist der 4. Tag unserer Reise. Bisher waren wir, sowohl aus Xi'an als auch aus Hua Shan, beschauliche Ausmaße chinesischen Tourismus gewohnt. Doch was uns hier trifft, ist der Vorschlaghammer. Wir laufen, ebenso ziemlich viele Chinesen. Doch der Großteil - der fährt. Und hupt dabei, was das Zeug hält. Die beschauliche Dorfstraße in den Ort Guoliang oben auf den Klippen ist dermaßen überfüllt mit Autos aller Formen, Farben und Marken, dass es einem leichtfällt die Lust am Reisen zu verlieren. Wie wir darauf gekommen sind, mühsam an diesen Ort zu reisen? Dafür muss ich wohl etwas weiter ausholen.

Noch in Xi'an haben wir den Plan, nach Wudang Shan zu fahren, aufgegeben. Zu ähnlich ist das Ziel dem Hua Shan, und zu groß uns die Gefahr, unsere Erlebnisse schlicht zu wiederholen. Also suchen wir nach einem Alternativziel. In der Nachbarprovinz, Henan, liegt laut Lonely Planet das kleine "beschaulich idyllische Dörfchen Guoliang inmitten malerischer Landschafen", besucht nur von Künstlern und Rucksackreisenden. "Ruhig" soll es dort sein, ein bisschen Ursprünglichkeit soll man dort erfahren können. Das klingt für unsere Ohren total verlockend! Wir nehmen den komplizierten Weg auf uns (Zug von Xi'an -> Zhengzhou 7h; Bus Zhengzhou -> Xixiang 1.5h; Bus Xixiang -> Huixian 0,5h; Bus Huixian -> Anfang der Bergstraße 1,5h; dann 3km Fußweg...), in dem Glauben dass dieser auch die Pauschaltouristen abhält. Dort angekommen, wirkt noch alles recht überschaubar. Wir merken schnell, dass wir ein bisschen falsch ausgestiegend sind und machen uns mit ein paar sehr netten chinesischen Studenten einen Fahrer klar, der uns zur richtigen Stelle bringt. Auf dem Weg fängt der plötzlich an wie ein Irrer zu hupen. Was ist los? Ein Junge rennt vor ihm aus dem Nichts auf die Straße - Schrecksekunde - Knall - Junge wurde erwischt. Flo und Stefan springen zur Hilfe (Respekt! Ich war ganz gelähmt...). Aber noch einmal Glück gehabt, der Junge scheint keine schlimmen Verletzungen zu haben. Unserem Fahrer merkt man an, dass er geschockt ist - doch nach ein paar Hundert Yuan an (anscheinend) Eltern des Jungen ist die Sache geklärt. Es kann weiter gehen, wir stehen aber ein bisschen unter Schock.
An der richtigen Stelle angekommen, können wir begleitet von vielen Chinesen den Aufstieg beginnen. Noch scheint das ganze recht harmlos, doch nach ein paar Metern ist die Straße brechend voll. Die Chinesen wollen wohl lieber Auto fahren als Laufen und nehmen dafür auch enormen Stress und Stau in Kauf. Auf der kleinen Bergstraße kommmen wir uns vor auf einem Pass in den Alpen zu absoluter Ferien-Beginn-Hochsaison.

Das Dorf oben hat dann schließlich auf den ersten Blick überhaupt nichts beschauliches, und ruhig ist es schon gar nicht. Doch - und das war irgendwie das schönste an diesem Urlaub - haben wir uns davon die Stimmung nicht trüben lassen. Die Aussicht war trotz Touristen total toll - und wie so oft haben die Menschen mit ihrer Art den Rest besorgt. Wir hielten es dabei quit pro quo: Wir wurden ungeniert angeglotzt, dafür wurden die Chinesen ungeniert mit unserem miserablen Kauderwelsch zugetextet. Einfach herrlich! Beide Seiten hatten sichtlich ihr Vergnügen. Wir können nun stolz behaupten, auf ca. 500 chinesischen Urlaubsfotos drauf zu sein, und auch in Guoliang eine nette Ecke gefunden zu haben.

Ein bisschen Oberhalb der Hauptstraße war tatsächlich ein bisschen Ursprünglichkeit einzuatmen. So etwa in unserem Hostel. Vater verwaltet, Mutter kocht, Kinder und Großmutter helfen. Zwar gabs kein Duschen, dafür aber eine tolle Athmosphäre abends im Innenhof.
Unser Hostel

Wir haben uns auf die Terasse geflezt und die Abendluft und die tolle Aussich genossen. Mittlerweile hatte auch das Hupen aufgehört :). Nachdem wir mal wieder die Zufallsbestelltaktik angewandt hatten (was bleibt einem übrig, wenn man die Zeichen nicht lesen kann?!? :) ), ließ es sich der Herr des Hauses nicht nehmen, den Hahn den wir zu essen gewählt hatten, persönilch noch einmal vorzuführen (noch lebend wohlgemerkt...). Naja, wir haben protestiert, aber ich glaube es war zu spät. Ich habe Kopf und Füße mal probiert, aber Hühnerbrust kann schon mhr würd ich sagen.
Flo, Daniel, Micha, Guido, Ulli und Johannes haben in einem anderen Haus übernachtet, da bei uns nicht mehr viel Platz war. Dort wurden sie von einem anderen Gast freudig als deutsche ausgemacht und kurzer Hand mit ausgestrecktem Arm und Dritt-Reich-Gruß bedacht... Sachen gibts...Danach gings noch einmal ein bisschen in den Ort, ein paar Nüsse kaufen. Am nächsten Morgen gehen wir früh los und wandern ein bisschen weiter den Berg hoch. Wir genießen die Landschaft, fahren ein bisschen Sommerrodelbahn (Chinese Style :) ) und zahlen 10 Yuan für die kleinste und lächerlichste Höhle in der ich je gewesen bin :). Naja, die Leute wissen wie sie den Langnasen das Geld aus der Tasche ziehen. Danach geht's nach kurzer Rast im Hostel zurück ins Tal. Dort lerne ich Zhen'ni kennen, eine Designstudentin aus Zhengzhou. Zusammen mit ein paar Freundinnen hilft sie uns die komplette Strecke nach Kaifeng zu meistern. Später, nachdem wir in Kaifeng waren (darüber wird Stefan berichten), treffen wir sie noch einmal wieder. Christoph hatte in Kaifeng aus versehen sein Ticket nach Beijing weggeschmissen (großartige Aktion :) ). Nachdem ich Zhen'ni davon erzaehle, kommt Sie spontan mit dem Taxi durch halb Zhengzhou gefahren (welches in etwa 7 Mio. Einwohner hat nd dementsprechende Ausmaße aufweist) und hilft uns, die Sache mit der Busgesellschaft zu klären... Eine Hilfsbereitschaft wie sie beeindruckender nicht sein könnte.
Zhen'ni, ich und ihr Freund

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