Freitag, 6. März 2009

Jiuzhaigou - Frieren und Staunen

Mit gefühlten 120 km/h fahren wir über eine Schnellstraße in den Bergen im Norden von Sichuan. Links sitzt Paul, vorne (Turbo-)Torsten, ein Ingenieur aus Sachsen, der in Shanghai arbeitet. Seinen Namen kenne ich zwar jetzt, in dem Moment, nach immerhin 2 Tagen, allerdings nicht. Auch sonst ein eher unauffälliger Typ. Wir fahren in einem aufgepimpten Honda-Privattaxi mit LCD Display und anderem Schnickschnack. Hier fließt Geld in die Taschen. "40.000 Besucher am Tag im Sommer" höre ich die Stimme eines anderen Taxifahrers in meinem Kopf sagen. Im DVD Player läuft Nana - "I'm lonely" auf heavy rotation - gute Frage wie der Typ das bis nach China geschafft hat. Zum Fahrer - Typ Frauenaufreißer - passt's auf jeden Fall wie die Faust aufs Auge.

Wr sind mittlerweile am Tor vom Jiuzhaigou National Park angekommen. Es ist ausgestorben. Die riesigen vergatterten Menschenschlangenkanäle sind leergefegt, nur eine einzelne chinesische Reisegruppe hat sich hierher verirrt. So können wir schon seit dem Vortag den wohl amerikanischsten Nationalpark Chinas in aller Ruhe genießen. Auf dem Weg hierher zeigte sich das untouristische Gesicht von Sichuan. Etliche Stunden Busfahrt über vom Erdbeben zerstörte Straßen und durch Dörfer, in denen das Elend und die Notunterkünfte noch deutlich zu sehen waren. Das Wetter jetzt ist gut, auch wenn es morgens bitterlich kalt ist. Die Sonne scheint, das entschädigt für vieles. Leider sind die schön angelegten Holzwanderwege zum größten Teil gesperrt, da "Fire-Protection-Period" ist, auch wenn unten im Tal der Gefahrpfeil auf Grün steht. Naja, da hier grad wenig Verkehr ist sind auch die Straßen im Park begehbar. Die Farben, die sich durch Calciumablagerungen in den Seen und Flüssen ergeben, sind atemberaubend. Die zugefroren Seen und zugefrorene Wasserfälle im Winter haben dazu etwas Märchenhaftes. Man geht von See zu See, von Wasserfall zu Wasserfall und ich dachte stets: "Als ich Fotos von Jiuzhaigou gesehen hab, hätte ich schwören können jemand hat einfach am Rechner die Farben verstärkt." Natur in so bunt hab ich wirklich noch nie gesehen. Kein Wunder dass es hier im Sommer und Herbst wahre Heerscharen von Leuten hinzieht, was Geld in die Taschen der Einwohner und Hotels in ihre Vorgärten gebracht hat. Nach einigen Stunden Wanderung (der Park ist zumindest im Winter überschaubar klein, ebenso wie die Öffnungszeiten kurz) sammeln uns die Ranger wieder ein und bringen uns zum Ausgang. Dort wartet das Taxi zum Hostel auf uns. Dort wiederum warten Zimmer, denen nur unter Einsatz aller energietechnischer Expertise von Flo und mir mithilfe von Wasserkocher und Föhn eine annehmbare Temperatur (und den Wänden ein Wasserschaden ;) ) verpasst werden konnte. Hier in Sichuan gibt es keine Heizung. Keine Heizung? Nein, tatsächlich. Wenn überhaupt mal eine elektrische Lüftung, denn die dezentrale Wasserboilertechnik hat hier noch keiner mitbekommen. Warum auch? "You think it's cold?" Fragt mich ein Hotelbesitzer erstaunt, während mit einer sperrangelweit offenen Tür das -5 Grad kalte Draußen hereinzuholen versucht. Ja. Das gleiche würde er umgekehrt in den gleichen Klamotten bei 35 Grad sagen, glaub ich. Die Chinesen haben schlicht einen anderen Temperaturhaushalt als wir.
Am Abend feiern wir gemeinsam das chinesische Neujahr. Mit einer landesweit auf allen öffentlichen Sendern ausgestrahlten Unterhaltungsshow und ein paar Böllern. Nur ein paar kleine kaufen, haben wir uns gedacht. Der Sicherheit halber. Das wir dabei die Rechnung ohne die Chinesen gemacht haben, merke ich als der (Größe je ca. China-Böller-A, Lärmstufe Fliegerbombe) Bombenteppich in meiner Hand losgeht, da der Chinese die Sache mit der Zündschnur nicht ganz so wichtig genommen hat. Meine Hose hats nicht überlebt, dafür aber die Staßenlaterne, die wiederholtem Beschuss aus den Handkanonen standgehalten hat. War trotz allem eine Menge Spaß :) . Speziell da jeder von uns einen solchen Teppich hatte und das "ich lerne aus den Fehlern der anderen" nach ein paar Bier nicht mehr wirklich funktioniert hat. So sah man jeden nacheinander mit Schreckverzerrtem Gesicht durch das persönliche Stück Erfahrung Streubeschuss hüpfen. Auf dem Rückflug am nächsten Tag nach Chengdu starteten wir auf einem ziemlich krass hohen Flughafen, was uns ein tolles Bergpanorama beim Start beschert hat. Fotos aus Jiuzhaigou gibts hier und hier von Stefan (Verlinkung fehlt).

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