Mittwoch, 28. Oktober 2009

The Great Fire Wall of China

Dass Facebook in China z.Zt. gesperrt ist haben sicherlich schon die meißten mitbekommen. Dass es aber dennoch möglich ist über VPN Clients und andere Proxy Verbindungen auch von hier aus auf FB zuzugreifen entkräftigt die Aktion ungemein – dachte ich, bis ich heute ein paar interessante Zahlen gelesen habe:

Many FB users found proxies and other methods of connecting to FB, and many others stood by, hoping the Web site would be unblocked quickly (no luck yet). Meanwhile, according to Inside FB, the Web site’s latest statistics showed only 14,000 active users in China as of the beginning of October, down from a million in July.

Ein “Handgriff” und aus 1.000.000 aktiven Benutzern wurden 14.000 in 3 Monaten.

Ich zähle mich selbst übrigens auch zu den „Opfern“. Opfer sowohl aus Sicht der Facebook-Nutzung und der Facebook-Sperre. Ich bin schlichtweg zu faul mich jedes mal, nur um auf FB zugreifen zu können, per VPN eizuwählen. In den letzten 2 Monaten habe ich die Platform glaube ich gerade 3 mal benutzt. Wie es Nutzern ergehen mag, die sich generell nicht so gerne mit der Lösung IT-spezifischer technischer Lösungen auseinander zu setzen, kann man sich dann vielleicht etwas besser ausmalen.

Chinese Netizens, Chinesische Webnutzer, bezeichnen die weitreichende Netzzäsur ihrere Regierung übrigens gerne als „The Great Fire Wall of China“ – Bilder dazu kursieren mittlerweile zu Hauf im Internet.

Montag, 26. Oktober 2009

Xinjiang - Nachtrag

Gerade habe ich noch einen interessanten Artikel gefunden, der die momentane Internetzäsur in Xjinjiang etwas dramatischer beschreibt. Scheinbar wurde der gesamten Region der Zugang zum Internet versperrt. Nicht, dass wie üblich nur das landesweit eingeschränkte Angebot zu erreichen würde, der Internetdienst wurde angeblich bis auf die Xinjiang-lokalen Angebot komplett gesperrt.

Many ask me, “When will the Internet be resumed?"
My answer is: Never.
How come? Many of them firmly don’t believe it.
My reasoning is this: September passed, and the New Year will come, then Spring Festival, followed by May 1 [International Labor Day], October 1 [National Day]; the cycle will continue for eternity, so the same excuses can be used for eternity. The cause of July 5th has been made clear: Three people used the Internet to involve 30,000 people. This serious and dreadful result demonstrates again that the Internet is a tool that can lead to extensive damage at the lowest cost. How come the government passes this tool to terrorists?


Etwas ernüchternd auch die Reaktion des Authors auf die späte Feststellung, dass einige seiner online gestellten Berichte nachträglich entfernt wurden.

I spent several thousand RMB to leave Xinjiang for Shenzhen to use the Internet in the net café. People in inland China, do you know how envious netizens in Xinjiang are? (Note: Only after I came to Shenzhen did I know that there’s little on the Internet to read. What I wanted to read has been deleted already and I’m very disappointed. During the July 5th riots, I wrote an approximately 100,000 word story and I’ve posted one copy on my blog on Phoenix. You can read it if interested. If it’s late, it has already been deleted.)


Ich bin gespannt, wie wir und ob wir überhaupt das Ausmaß der genannten Maßnahmen während unserer Kurzreise erfahren werden.

1 Jahr China - eine andere Rechnung

[...Jörns Kilometerrechnung...]

Macht in Summe 5542 km oder
0,34 tCO2 pro Person per Zug,
insgesamt 4683,4 gefahrene km
oder 0,49 tCO2 pro Person per Bus,
insgesamt 12890 geflogene km
und schließlich 0,89 tCO2 pro Person per Flugzeug.

(Quelle:
http://www.carbonfootprint.com/calculator.aspx)

Um das Wort "Carbon Footprint" mit etwas Inhalt zu füllen: Jeder von uns hat im vergangen Jahr alleine in China in etwa 1,72 tCO2 durch Reisen hinter sich gelassen. Und darin enthalten ist keine einzige Taxifahrt durch Beijings Berufsverkehr von Wudaokou nach Sanlitun (Geschätze 1000 km per Taxi entsprechen weiteren 0,17 tCO2 p.P.) und auch kein verschwenderischer Umgang mit der Klima- und Heizungsanlage.

Damit liegen wir mit fast 20% klar über dem deutschen Durchschnitt von 8,8% Flug- und öffentlichen Verkehr.


Zum Vergleich:
  • Aachen-Tsinghua-Austauschstudent, Fachrichtung Energietechnik, nur Reiseverkehr: 1,72 tCO2 in 2009
  • CO2 Emissionen p.P. p.a. für deutsche Bürger "Durchschnittlicher Lebensstil": 10 tCO2 pro Jahr
  • Einsparpotential eines Small Scale CDM Projektes (Austausch von 500.000 konventionellen Glühbirnen mit effizienteren CFL Lampen in Indien Visakhapatnam): 27.427 tCO2
  • CO2 Emissionen eines durchschnittlichen 500MW Kohlekraftwerks im China North-West power grid :3.400.000 tCO2
  • Anstieg der CO2 Emissionen von 2006-2007: 800.000.000 tCO2
  • Totale CO2 Emissionen China in 2006: 6.200.000.000 tCO2
Für eigene Berechnungen: Carbon Footprint Rechner
Deutsch: http://uba.klima-aktiv.de/?cat=person
International: http://www.carbonfootprint.com/calculator.aspx

Sonntag, 25. Oktober 2009

Xinjiang

Oft geplant und wieder verworfen: Am Donnerstag geht es endlich für eine Kurzreise in die autonome Region Xinjiang im Nordosten Chinas. Diesmal jedoch nicht privat, sondern beruflich – was jedoch nicht heißt, dass ich ohne vertraute Reisebegleitung fahren müsste. Da die beiden Firmen bei denen Florian und ich derzeit für die Dauer unseres Praktikums angestellt sind zusammen an einem gemeinsamen Projekt tüfteln, können wir auch diesmal wieder gemeinsam reisen.

Jörn hat bereits beeindruckend zusammengefasst, wieviele Reisekilometer wir im letzten Jahr bereits hinter uns gebracht haben – und das nur in China. Vielleicht rafft er sich auch noch dazu auf, unsere Süd-Ost-Asien Reisen in verlässliche km-Zahlen zusammenzufassen *hint ;) Für uns geht es Donnerstag früh per Flieger von Beijing nach Ürümqi, der Hauptstadt der Region und gleichzeitig mit 2,6 mio Einwohnern auch die größte Stadt in Xinjiang. 2411 km, Eine Strecke für die man mit dem Auto (3300km) wohl etwas länger brauchen würde. Wer einmal im Hochsommer durch Südspanien mit einem unklimatisierten Auto gefahren ist, kann sich sicherlich ausmalen, wie es sich in dieser Region anfühlen würde.

Ürümqi, eine Stadt deren Name gerade kürzlich im Rahmen der Unruhen im Juli 2009 auch in Deutschland häufig durch die Presse ging. Aber auch neben Unruhen hat Ürümqi noch einiges zu bieten: Unter anderem hat sie sich einen Platz im Guinness Buch der Rekorde „verdient", und zwar als „the most remote city from any sea in the world" – was vielleicht auch das Wüsten-typische Klima erklären könnte.

Einstellen können wir uns also schonmal auf heiße Tage und kalte Nächte. Einstellen SOLLTEN wir uns aber besonders auf heiße Spieße und kalten Baijiu, schließlich handelt es sich um eine Reise mit geschäftlichem Rahmen und da is der klare, stechend riechende Lieblingsschnaps „des Chinesen" nicht wegzudenken.

Ziel unserer Reise ist Fùkāng, eine Stadt einige km außerhalb von Ürümqi und Hort einiger großer Kohleminen. Und genau diese, besser gesagt zwei davon, sind Ziel unseres Kurztrips. China, mittlerweile der größte Kohleverbrauche der Welt, hat viele davon. 2006 wurden knapp 70% des Energiebedrafs in China von Kohlekraftwerken gedeckt. Hinter den USA und Russland ist China das Land mit den größten Kohlereserven der Welt und die meißten davon befinden sich im Norden und Nordosten Chinas. Ob wir letztlich mit Methan in der Lunge und Kohle im Gesicht die Minen unter Tage besichtigen oder ledliglich die Umliegenden Anlagen begutachten ist uns noch nicht ganz klar: Fakt ist, es wird gut gegessen! Das Xinjiang Restaurant, keine 3 Minuten zu Fuß von unserer Wohnung, freut sich bereits seit zwei Monaten über regelmäßigen Besuch der drei Deutschen aus der Straße – denn das Essen ist klasse!

Xinjiang, ist das nicht gefährlich? Auch einige Monate nach den Unruhen ist die Situation in Xinjiang noch nicht vollständig entspannt. Josh, ein 26 jähriger amerikanscher Englischlehrer, der seit drei Jahren mit seiner Frau in Xinjiang wohnt und nebenbei an Beiträgen für einen China-Reiseführer arbeitet, schreibt auf seinem Blog http://www.farwestchina.com/ interessante Artikel zur derzeitigen Situation in Xinjiang:

7. Oktober 2009:

Life here in Xinjiang has resumed its normal pace but now a new element has been added just for fun: the life-threatening rumor. It seems like every week we have to determine how to handle each new rumor, including both those which are verifiable (needles, H1N1, etc.) and those which are not ("something's going to happen tomorrow, I hear" or "nobody is allowed to leave the city for the next week"). Nobody knows what to believe, which means that most people are forced to accept everything they hear as fact and are becoming quite paranoid.

Contrary to local conventional wisdom, I have refused to become too fearful, taking a few motorcycle trips around the province and not wearing a face mask to protect myself from the crazy flu. I also left the province during this October holiday, another risk I was advised against ("You'll be quarantined when you get back for one full week!"), which is how I am typing this message right now. I'm in a hotel room not even 50km from the Xinjiang border, soaking in the internet like it's a miracle from heaven.

Weiterhin hat er auf seinem Blog kurz geschildert, was sich durch die Unruhen in der Provinz getan und bewegt hat und was davon noch übrig geblieben ist.

Die Nachrichten-Sperre und ausgeweitete Internetblockade finde ich besonders „interessant":
[...]
Long distance calling has been shut down even tighter. While previously I could use a specific phone card to call home or at least receive incoming calls late at night, it seems that this "loophole" has been discovered and fixed. Communication with my family is virtually nil right now.
Dunhuang has become Xinjiang's most important city. And it's not even located within Xinjiang...it's in Gansu! Pretty much the first city outside of Xinjiang with internet access, Dunhuang has become the place for all businessmen and foreigners to go to regain access to email and business contacts. Hotels and coffee shops tell me they've seen a noticable increase in Xinjiang traffic.
[...]
The internet is rumored to remain closed until late next year. This is the most discouraging to me. I'm not sure what advantage there is to keeping this province in the dark until April or May, but even my friend within the city government told me not to expect anything until at least the Chinese New Year. I've heard that our neighbors to the south are in the same situation but I'm not quite sure.
[...]
Ich frage mich also schon jetzt, ob wir überhaupt mit Mobilfunkempfang während der Zeit rechnen können?

Schön zu lesen:

We're not suffering over here but things have definitely changed. With every day that goes by these changes become more and more routine to the point that it's almost considered "normal". Personally I take comfort in many of these points, I just hope that in the future all of this won't be neccessary.

1 Jahr China - um die halbe Welt mit öffentlichen Verkehrsmitteln

Ich habe mal in einer ruhigen Minute ausgerechnet, was wir im letzten Jahr so an Kilometern "gemacht" haben. Hier das Ergebnis:

Beijing - Xi'an 1091 km, Xi'an - Zhengzhou 478, Changsha - Zhangjiajie 321, Huaihua - Guiyang, 454, Guiyang - Kunming 567, Nanjing - Shanghai 305, Xi'an - Pingyao 510, Pingyao - Beijing 589, Beijng - Tianjin 136, Xi'an - Beijing 1091

Macht in Summe 5542 km per Zug,

2 x Xi'an - Hua Shan 540, Zhengzhou - Guoliangcun 255, Guoliangcun - Kaifeng 273, Kaifeng - Zhengzhou 81, Zhengzhou - Beijing 698, Beijing - Jiankou 122.2, Beijing - Yunmengshan 122.2, Chengdu - Leshan 142, Leshan -Emeishan 29, Emeishan - Luzhou 304, Luzhou - Chengdu 278, Chengdu - Jiuzhaigou 493, Zhangjiajie - Huaihua 295, Kunming - Jinghong 550, Dali - Lijiang 186, Lijiang - Shangrila 174, Shangrila - Kunming 622, Guilin - Yangshuo 130, Huangshan - Nanjing 361.

5655.4 km per Bus,

Beijing - Chengdu 1808, Chengdu - Jiuzhaigou 493, Chengdu - Changsha 1502, Jinghong - Dali 861, Kuiming - Guilin 1218, Guilin - Beijing 1997, Beijing - Huangshan 1346,
Beijing - Guangzhou 2180, Kunming - Xi'an 1575

und schließlich 12980 km per Flugzeug.

Von Zugfahren


Das ist die Bilanz der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel innerhalb von China. Wenn man überlegt, dass Zug wohl in China das Umweltfreundlichste Fortbewegungsmittel ist, eigentlich eine traurige Statistik. Die Gründe sind vielfältig. Man hat kaum vernünftige Fahrplaninfos (wobei Google das wohl ändert), muss die Tickets mühsam am Schalter in bestimmten Fristen erstehen (wobei seat61.com das erleichtert), und die Verbindungen sind in der Regel ausgebucht, überfüllt und nicht gerade schnell. Zu allem Überfluss ist das Schienennetz auch durchaus überschaubar. Man hat das Problem wohl erkannt - so schreibt zumindest newsweek.com:

For decades, rail travel in China meant an arduous overnighter in a crowded East German–designed train, riding along a rickety old track. Now China is undergoing a rail revolution. Over the next three years, the government will pour some $300 billion into its railways, expanding its network by 20,000 kilometers, including 13,000 kilometers of track designed for high-speed trains capable of traveling up to 350kph. Result: China, a nation long defined by the vastness of its geography, is getting, much, much smaller.

Already, the journey from Beijing to Taiyuan, the capital of Shanxi province, has been slashed from eight hours to three. Shortly before the Olympics last year, the 120km trip from Beijing to Tianjin was cut from almost an hour to just 27 minutes. In the next few years, a train journey from Wuhan to Guangzhou, halfway across the country, will shrink from 10 to three hours. The trip from Shanghai to Beijing, which currently clocks in at 10 grueling hours—and twice that, not so long ago—will be cut to just four, making train travel between China’s two most important cities a viable competitor to air for the first time. Similarly, a trip from the capital to the southern manufacturing powerhouse of Guangzhou—more or less the entire length of the nation—will take just eight hours, compared with 20 before and more than a day and a half by bus.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Beijing Bubbles

Lieber Paul, wenn das nicht ein Buch für uns beide ist!?! Ich hab's mir schon bestellt :).


The Economist’s More Intelligent Life blog:

Just as the 100 Club and CBGB fostered movements in London and New York City, Beijing’s D-22 nightclub serves as the epicentre for its burgeoning alternative scene. Michael Pettis, a Peking University professor who was once a fixture in New York’s East Village, founded the dive bar three years ago. Though the idea of an “underground scene” is often associated with , D-22’s small stage hosts a variety of acts, from glam rock to experimental electronic, classic rock ‘n’ roll and Mongolian folk . Many bands have hard-rocking frontwomen in the vein of Karen O from the Yeah Yeah Yeahs; some sing in both Chinese and English. All eschew the country’s mainstream affection for saccharine pop.

“Sound Kapital: Beijing’s Underground” captures the scene in a collection of band portraits culled from thousands of photos taken in D-22’s basement over two years. The style, humour and energy of these subjects are both authentic and familiar. These kids have quite a bit to rebel against.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Today's alarming statistics

Es lebe Googlemail: Ueber das Jahr haben sich so einige Newsletter der Webseite beijinger.com in meinem Postfach angesammelt. Hier ein paar interessante Beitraege zur woechentlich erscheinenden "alarmierenden Statistik" (ich korrigiere: 1 Euro sind ca. 10 RMB):

34 billion
The amount in RMB that the city government plans to spend on tranportation over the next 5 years

113
Minutes it took a reporter to do a lap of the Second Ring Road on the number 800 bus during the first morning peak hour after Olympic traffic restrictions were lifted

230,000
Number of people in Beijing living on less than RMB 390 a month

10
Perecentage of Beijing's primary and high school students with good eyesight

605
The number of drivers that have been finded for breaking the new traffic regulations in Chaoyang district since the ban took effect on Oct 11 (geschrieben am 07.11.)

46.5
The percentage of Beijing's 90,000 sex workers that use condoms

24,000,000
Estimated unemployed population of 2009 in China

65,970
Number of vehicles registered in Beijing in the first 45 days of the year (geschrieben am 19.02.)

64
Number of applications for The Best Job in the World that originated from Beijing

37,500
The number of "dangerous items" that have been siezed at Beijing's subway security check points since they were set up at the end of June last year. (12.03.)

353,800
Number of Huangbiao Che or cars not meeting Euro I emission standards that, as of Jan 1, are forbidden from being driven within the Fifth Ring Road

60,000
Number of alernate-energy vehicles to take to China's roads by 2012 according to Minister of Science and Technology Wan Gang

143,000
Number of Beijingers with a net worth of over 10 million RMB

RMB 32,328
The amount, per square meter, that property developer SOHO China Ltd. has been allowed to buy properties around the Qianmen area

350+ million
The number of smokers in China, whose numbers grow at an annual
rate of three million. For comparison purposes, the U.S.A. has a population of 303 million

Kurze Zwischenfrage: Wenn China zu Nikotinpflastern verpflichtet, darf es dann die CO2 Zertifikate weiterverkaufen?

45 Billion
In China alone, the estimated number of pairs of disposable chopsticks that are used and thrown away annually

20 percent
Percentage of RMB bills found to contain traces of cocaine in a recent study by the American Chemical Society

27:1
The home price to annual income ratio in Beijing – five times the international average

Montag, 19. Oktober 2009

Japan - ein stilles Örtchen

"Die öffentlichen Toiletten sind die Visitenkarten eines Landes. Nirgendwo stimmt das mehr als in Japan." (Der Autor Andreas Neuenkirchen in "Gebrauchsanweisung Japan")
Nanu, mag sich der eine oder andere fragen. Soviel Aufhebens um Toiletten? Nun ja. Wer sein Leben mal etwas länger in China ausserhalb von Pudong (Shanghai) und Chaoyang (Peking) verbracht hat, der wird wissen, warum es in China 2008 den "Welt-Toiletten-Gipfel" gab, und warum man aus dem einfachen, öffentlich zu verrichtenden Geschäft, ein Geister-scheidendes Thema machen kann: die einen halten es aus, die anderen fahren nicht (mehr) nach China.

"Aber Japan? Das ist doch eine Industrienation!" Wird der Asienkenner lauthals verkünden. Richtig. Als ich vor ein paar Wochen endlich anfangen durfte, meine Freude über den bevorstehenden Aufenthalt im Land der aufgehenden Sonne hinausposaunen zu dürfen, da erreichten mich aus verschiedensten Ecken dieser Welt, quasi kultur-übergreifend, interessante Kommentare. Anscheinend ist da was im Busch, was mit Nippon und seinen Wasserklosetts zu tun hat.

So ließ sich mich eine Bekannte aus Polen wissen, dass ihr die Sache mit Japan ja schon fremd ist, aber dann diese Sanitärsituation?

"Am miesesten gefällt mir die Sache mit den Toiletten, was ist da so toll dran?" (Anna, Polen)
Anscheinend ist bei uns in Europa das Bild vom großen Nachbarn China geprägt, der wie oben beschrieben zurecht in dieser Disziplin zu Weltruhm gekommen ist. Doch auch im Land der Mitte selbst scheint die Sache ein Thema zu sein:

"...Please remember to go to Japanese WC's, some people told me it is very interesting..." (Kelly, China)
Ich habe kurz überlegt, wie ich ihr das beibringen soll, dass man so etwas in 2 Monaten, ohne sehr große Probleme zu bekommen, schlecht vergessen kann. Aber da Chinesen, Sarkasmus und Ironie quasi ein trio infernale bilden, habe ich mir das verkniffen.*

Aber jetzt lass dich Katze aus dem Sack, Jörn, was ist nun das besondere, was die japanischen Toiletten auf der Welt so besonders macht? Nun ja, wohl dass man für sie eine Gebrauchsanweisung braucht. Es gibt soviele Knöpfe, dass man allein mit dem geistigen Vorstellen der mit Icons visualisierten Funktionen einige Zeit verbringen kann. Da gibt es diverse Spülstrahlen mit Joystick, verschiedenste Gebläse und Musik. Ja, richtig, Musik - denn der Nebenmann soll ja nicht gestört werden - da kommt ein Bach-Stakkato doch etwas stillvoller als das eigene.

Zum Glück war ich schon mit der Materie vertraut- ich war vorbelastet: Die Koreaner haben sich einiges abgeguckt, im September in Busan durfte ich schon mal "testen":

Als ich das erste Mal bei Frau Bae den hochmodernen Apparat benutzte, hätte ich so einiges für eine Gebrauchsanweisung gegeben, bis ich dann doch -mit Schweiß auf der Stirn und der einen oder anderen peinlichen Situation vor Augen - hinter dem Kasten den manuellen Spülhebel fand. (Jörn, Korea)

Vor ein paar Tagen habe ich von einem Studenten gehört, dass in der Nähe von Shinjuku der modernste "Schont" der Welt zu finden sein soll. Ich bin gespannt - die vom Sheraton in Ebisu hat definitiv die Messlatte hochgelegt. Ich werde berichten!

PS: Beim Oktoberfest in Yokohama vor zwei Tagen stieß ich auf eine Gelegenheit, an eben einer jener Örtlichkeiten mit meinen Chinesisch- bzw. Kanji**-Kenntnissen zu punkten: Es gab pro Geschlecht zwei Schlangen, eine für 小号 (Xiao Hao - kleine Nummer) und eine für 大号(Da Hao - große Nummer); Interpretationen bleiben dem Leser selbst überlassen.

*Circa sagt der Chinese nicht, quasi, das ist Chinesisch.
**Die Japaner benutzen zumindest in manchen Situationen die chinesischen Schriftzeichen, im japanischen genannt "Kanji".

Sonntag, 18. Oktober 2009

Und sie stellen sich an!

Schlangen an den Türmarkierungen auf dem Bahnsteig, man entschuldige die Qualität

Der Atem eines japanischen Geschäftsmannes wird mir ins Ohr gedrückt. Links, rechts, vor und hinter mir: Menschen. Jeder von ihnen versucht, zu Boden zu gucken - und bildet so ein Meer von schwarzen Haaren, unterbrochen von bunten Reklameschildern, die von der Decke hängen. Von allen Seiten wird gedrückt. Meine Arme sind vor meinem Körper verschränkt, während ich mit kleinen Schritten die kriechende Bewegung in den Zugwaggon unterstütze. Draußen wird etwas auf japanisch gerufen, dazu lautes Pfeifen am Bahnsteig. Männer mit schwarzen Handschuhen heben Bretter an die Körper derer, die noch nicht ganz im Waggon drin sind - und schieben. Niemand beschwert sich -es wird solange ertragen, bis schließlich jeder reingepfercht ist und die Türen der U-Bahn sich schließen.

Männer mit schwarzen Handschuhen heben Bretter an die Körper derer, die noch nicht ganz im Waggon drin sind - und schieben. (Morgens in Tokyos U-Bahn)


U-Bahn-Alltag in Tokyo zur morgendlichen Rush-Hour. Erinnerungen an oben beschriebenes, welches ich auf dem Heimweg mit einer der ersten U-Bahnen während meines letzten Aufenthaltes einmal erleben durfte, wurden gestern wach, als ich das erste Mal wieder die hochfrequentierten Linien der Untergrundbahn in Japans Hauptstadt benutzte. Ich war zu Besuch bei Arne, der an der Keio University ein Auslandssemester macht. Diesmal nahm ich die letzte U-Bahn, nicht die erste, aber die war wohl ähnlich voll, denn es war der letzte Zug, der Tokyo mit dem Heim unzähliger Pendler, Yokohama, verbindet.

Im Bahnhof Shinjuku in Tokyos Westen wird täglich eine ähnliche Masse an Menschen "umgeschlagen", wie in allen deutschen Bahnhöfen zusammen.

Wenn man überlegt, dass im Bahnhof Shinjuku täglich eine ähnliche Anzahl an Menschen "umgeschlagen" wird, wie in allen deutschen Bahnhöfen zusammen, wird einem das Ausmaß der Menschenmassen vielleicht bewusst. Das es in diesen Situationen auch durchaus zu Problemen führt, zeigt die Einführung von Markierungen, die anzeigen dass zu Stoßzeiten gewisse Waggons nur von Frauen (und ihren Kindern) benutzt werden dürfen, um sie vor sexueller Belästigung zu schützen. Sicherlich ist es in so einem Gedränge schwierig, Gewolltes von Ungewolltem zu Trennen, doch scheint bei dem einen oder anderen japanischen "Salary Man" in diesen Situationen eine Sicherung durchzubrennen.

"Die wahre Natur eines Menschen zeigt sich erst in Extremsituationen" Ist einer der Stammtischweisheiten, die ich am liebsten benutze. Nun mag man munkeln, dass für den einen oder anderen Japaner dieses Wahnsinnsgedränge schon zum Alltag gehört. Doch was treibt jemanden, der sich an Bushaltestellen gemäß der Ankunftszeit einreiht, oder an U-Bahnstationen die Ankommenden nicht nur erst rauslässt, sondern dabei sogar in einer Supermarkt-ähnlichen Schlange wartet (siehe Foto oben), 5 min. später der jungen Dame in Schulmädchenuniform an den Hintern zu greifen?

Eine Stadt - eine U-Bahn: Ohne das System, dass wie ein Uhrwerk funktioniert, würde das endlose Häusermeer Tokyo wohl im Verkehrschaos versinken

Sicherlich ist ein generelles Problem, dass die Rolle der Frauen in Japan noch eine andere ist, als bei uns. Wer mit 25 noch nicht verheiratet ist, wird schonmal abfällig als "Liegengebliebener (Weihnachts-)Kuchen" - man denke an den 24./25. Dezember - bezeichnet. Kinder zu kriegen wird mehr oder weniger als Hauptaufgabe im Leben der Frauen angesehen - und danach ist die noch junge Karriere in der Regel vorbei. Im öffentlichen Leben haben Frauen mit erheblichen Ungerechtigkeiten bei Gehältern und Jobsuche zu kämpfen. Während bei die Emanzipationsbewegung über Diskriminierungsprobleme wie die Namensgebungen für Hoch- oder Tiefdruckgebiete in der Wettervorhersage diskutiert, sind die Probleme hier noch wirklich essenziell. Das die Mädchen in der Schule in einem sonst (öffentlich) eher prüden Land Schuluniformen angezogen bekommen, die bei meinem sehr direkten Deutschlehrer Alfred Vollmer wohl die Worte "billige Schlampen" in den Kopf zaubern würden, mag man guten Gewissens als Ausdruck der Wertschätzung weiblicher Studenten auffassen.

Wer mit 25 noch nicht verheiratet ist, wird schonmal abfällig als "Liegengebliebener (Weihnachts-)Kuchen" - man denke an den 24./25. Dezember - bezeichnet. (Wikipedia über Japan)


Doch offenbart sich bei den U-Bahngrapschern vielleicht ein noch etwas tiefer liegendes Problem. Wer unserer Tage nach Japan reist, wird von der Höflichkeit im öffentlichen Leben trotz aller Erwartungen immer noch positiv überrascht werden. Die Freund- bis Herzlichkeit, mit der die Hierarchien im alltäglichen Service akzeptiert und letzterer ausgeübt wird (Supermarktangestellter zu Kunden, Mensakoch zu Student, Busfahrer zu Fahrgast, ja sogar Polizist zu Passant), grenzt an Selbstaufgabe. Das hört jedoch auch im privaten Leben nicht auf. So kommt die gesamte Belegschaft spontan mit, wenn der Chef zum Abendessen einläd, egal wie lange das dauert. Und wann gegangen wird, entscheidet man nicht selbst, das entscheidet der Gastgeber. In Diskussionen, in Geschäftsbeziehungen, in Freundschaften - stets wird versucht, die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken. Oder so zu verpacken, bis der Gegenüber sie erkennt, sie erfüllt und man damit um die Blamage herumgekommen ist, den eigenen Willen direkt zu äußern.

So ein Verhalten der an Selbstaufgabe grenzenden Höflichkeit weckt Verwunderung, denkt man doch an Geschichten über das imperial-brutale Auftreten früherer Generationen. Oder die unvergleichlichen Auswüchse von Pornographie und Gewaltdarstellung, z.B. in Computerspielen. Doch bereits in Vietnam hatten wir das Gefühl, dass asiatische, äußere Freundlichkeit in kurzer Zeit auf unberechenbare Aggression umschlagen kann.

"Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Sachen wie Pornographie solches Ausmaß annehmen. Das ist einfach zu viel, das ist krank." (Alice)


In meiner Nachbarschaft war ein Junge, wir nennen ihn mal Jan H. (nicht Höpper ;) ), der in der Klasse meines Bruders war und für mich seitdem als Inbegriff der Auswirkungen einer zu harten Erziehung gilt - nach außen höflich und freundlich, aber hintenrum ein richtiges Arschloch. So kann man es bei den Asiaten nicht unbedingt formulieren. Aber dennoch suchen sich auch diese häufig Möglichkeiten, Emotionen und Fantasien zu kanalisieren, wohl in Wegen wie Pornographie oder Computerspiele, Comics oder virtuellen Welten. Für manche mag diese Trennung von Öffentlichkeit und Privatleben und die Einordnung der Individualität in letzteres einfach toll sein, besonders wenn man sie nicht begreift. Zu letzteren würde ich wohl all diejenigen zählen, für die Japan das Paradies der freundlichen Menschen ist. Aber man kann es auch für eine funktionierende Form der Gesellschaft halten, die halt von unserer verschieden ist. Besonders aus Korea, wo man einen ziemlichen tiefen Einblick in das Leben in Japan hat (allein schon aufgrund der geographischen und kulturellen Nähe und der Bedeutung der japanischen Wirtschaft für Korea), kommen eher kritischere Stimmen. "Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Sachen wie Pornographie solches Ausmaß annehmen. Das ist einfach zu viel, das ist krank." Höre ich die Worte von Alice in meinen Ohren.

Da der Text jetzt schon zu lang ist und ich gleich zur zweiten Oktoberfestparty dieses Wochenendes muss, werde ich die Ausführungen nicht mehr weiter führen... spinne man selbst die Gedanken fort - ich schaue lieber betrunkenen Japanern beim Blamieren zu.

Samstag, 17. Oktober 2009

Woran ich merke, dass ich wieder in China/Peking bin (3)


Ich muss nur morgens meinen Vorhang aufziehen und schon begrüßt mich eine fabelhafte Weitsicht über den Osten Pekings bis hin zum Central Business District, vorausgesetzt die Wetterbedingungen lassen es zu:


Beijing, Beijing


Kanal im Chaoyang District

Zu unserer aktuellen Wohnsituation in Peking hat Florian bereits einen kurzen Eintrag gebloggt und ein paar Fotos unserer Yuppie-Bude hochgeladen.

Link: Infernal Landscapes

Quelle: Chinadigitaltimes.net

In diesem Blog wurde hauptsächlich von Chinas schönen Seiten berichtet. Das Chinas wirtschaftlicher Aufschwung aus hässliche Seiten mit sich bringt, davon weiß nicht nur mein Bruder zu berichten. Auch uns ist, u.a. auf unserem "Dreckstrip" in die Provinz Henan, so einiger Rauch von Müllanlagen, Kohlekraftwerken, o.ä. entgegengestiegen.

Da nun Florian, Stefan und ab März wohl auch ich im "Umweltschutz" in China aktiv sind (das hört sich mehr nach Samariter an, als es aufgrund kommerzieller Interessen tatsächlich ist), sollte nun auch diese Thematik hier ein bisschen in den Vordergrund rücken. Neben den hoffentlich weiter zu präsentierenden Fotos von Ausflügen in die rosarote Chinesische Bonbon- und Urlaubswelt.

Hier ein kleiner Anfang. Das Foto oben ist von dem Fotografen Lu Guang, der sich mit der Thematik Umweltverschmutzung beschäftigt. Aufmerksam wurde ich durch den hier zu lesenden Eintrag im Lens Blog der Times. Reinschauen lohnt sich!

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Great Wall - From Jiankou to Xiangshuihu

Arbeit, Einkaufen, Visum abholen, Kneipenbesuch. Sport machen, Mittagessen, zum Schneider fahren, Abendessen - was man auch immer tut: Wir sind in der Stadt! Und ja, ich muss im Nachhinein zugeben, letzten Jahr haben wir nicht wirklich in Beijing gewohnt. Zwar lag der Campus am Rande der Innenstadt, aber wer täglich von Bäumen, Parks und Stille umgeben aufwacht (abgesehen vom nervigen Basketball krach von 7 Uhr morgens bis 11 Uhr abends), der lebt nicht in der Stadt.

Chang Cheng schlängelt sich endlos durch die Berge

Das hat sich maßgeblich geändert. Sobald wir nun einen Fuß aus der Tür setzen, empfängt uns Peking mit seiner herzlichen Melange aus Smog, Krach und übel riechendem Chou Doufu (stinke Tofu) - oder in anderen Worten: Leben, Abwechslung und 1000 Möglichkeiten etwas neues zu erleben.

Nach jedem Wachturm warten weitere Kilometer verwuchter,
unberührter Mauerabschnitte auf uns

Da ist es kein Wunder, dass es einen nach ein paar Tagen oder Wochen einmal aus der Stadt treibt, auf der Suche nach etwas frischer Luft und Ruhe. In anderen Worten: Auf die Mauer!
Am zweiten Tag änderte sich die Mauerstruktur,
riesige Wachtürme statt kleiner Posten


Entlang der schmalen Mauerreste geht es tief hinunter

Den Abschnitt von Mutianyu nach Jiankou und weiter habe ich bereits zu genüge erkundet, daher sind wir diesemal einfach in die andere Richtung gewandert. Wohin? Das wussten wir selbst nicht. "Da ging irgendwo ein weitere Mauerstück ab und dort kamen mir immer Leute entgegen" - "Da muss ein Nest sein". Und genau jenes Mauerstück hatten wir uns diesemal vorgenommen, mit dem Ziel von nächsten zu erreichenden Dorf einfach unseren Fahrer anzurufen und uns abholen zu lassen.


Ob in Richtung Mutianyu oder Xiangshuihu,
manchmal war es mehr als unwegsam

Ausgestattet mit ausreichend Nahrungsmitten, gutem Rotwein, Campingkochern, Whiskey und allen anderen Kleinigkeiten, mit denen man es sich bei einer Übernachung auf der Mauer gut gehen lässt, haben wir auf einem der höchsten umliegenden Türme im Freien niedergelassen. Nachts kühlt es auch in Peking bereits richtig ab, aber da es nicht geregnet hat, konnten wir dennoch auf Isomatten, eingemümmelt in warmer Kleidung und dicken Schlafsäcken auf einem der Türme übernachten. Genügend trockenes Feuerholz lässt sich in Pekings trockenem Umfeld jederzeit finden, sodass wir es uns für einige am Stunden am Feuer gemütlich machen konnten.

Kein Mauerbesuch ohne Übernachtung,
Lagerfeuer und Rucksäcken voll mit "Verpflegung"


Am nächsten morgen, von ersten Regentropfen geweckt, saß die persönliche Enttäuschung wieder etwas tief: Wolkig, schlechte Sicht - Bei drei Besuchen mit Übernachtung habe ich noch immer keinen Sonnenaufgang auf der Mauer erleben dürfen.

Blick entlang der Mauer und ins Tal zur

Nach einem guten Frühstück mit Espresso, deutschem Brot und chinesischem Nutella-Fake haben wir uns "früh" aufgemacht, um noch möglichst viele km abzureißen, ehe wir uns irgendwann von unserem Fahrer wieder nach Peking haben fahren lassen.
Chang Cheng, scheinbar unendlich lang und jedesmal: Wunderschön!

Mittwoch, und noch immer brennt der Muskelkater in meinen Waden - flexibler Turnschuhe statt Wanderausrüstung sei dank. Bis Samstag sollte dieser allerdings abgeklungen sein, sodass ich aufs Neue und frisch gestärkt mein Glück versuchen und auf den ersten Sonnenaufgang auf der Mauer meines Lebens hoffen kann. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon wieder auf die nächste Tour am Wochenende, vielleicht wirds ja diesmal was!

Danke an Henning, Mathias und Vera für ein klasse Wochenende! Trotz Lambdas, Nationalhymnen und schwarzen Strahlern war es mal wieder ein unvergesslicher Trip.

Von Jiankou nach Xiangshuihu - Die große Mauer

Japan Weekly

Ein Fernseher, begehbare Schränke mit Schiebetüren und 4 traditionelle Tatami-Matten als Bett- Mein Wohnheimszimmer.
"Huuuuntela Jooorn - San",
liest der Japaner mittleren Alters, vor mir stehend, den Addressaten des Briefes in seinen Händen ab. Er steht mit mir in der Lobby eines der Wohnheime der Firma, und versucht mit Händen und Füßen zu erklären was ich mit eben jenem, enorm wichtigen, Umschlag nun anzufangen habe. Es handelt sich um den Herbergsvater - der sich keine Mühe scheut den ihm Anvertrauten das Leben leicht zu machen. Ich verstehe von seinem Japanisch natürlich so gut wie nix, ausser "Intanetu" und "Modemu" und das letzteres mir nun Zugang zu Ersterem verschaffen soll.

Das San macht aus der japanisierten Version meines Namens ein "Herr Hünteler Jörn", in der für hier richtigen Reihenfolge mit dem Nachnamen zuerst. San's habe ich schon viele kennengelernt. Da die meisten Namen mit -moto und -gawa enden, ist es mit dem Einprägen noch nicht weit her. Erinnerungen an die ersten Tage in China werden wach, als die Namen ins eine Ohr rein, ins andere Ohr wieder rausflogen.

Praktikum ist der Grund meines erneuten Aufenthaltes in Japan. 10 Wochen in einer japanischen Firma, als einziger Gaijin (=Ausländer) weit und breit. Was mich dazu trieb? Das verlockende Angebot, die Arbeit aus China in Yokohama für Geld weiterzuführen. Wer würde da Nein sagen?

Zurück zu Owaki-San, dem "netten Mann im Wohnheim". Vater mag andeuten, dass es in solchen Firmen-unterkünften in der Regel jung zugeht. Doch weit gefehlt - hier wohnen nicht etwa Auszubildende, sondern "Angestellte, die entweder ledig oder mit einer Frau verheiratet sind, die es ihnen nahelegt die Woche im Firmen-nahen Wohnheim zu verbringen", wie es Ayako ausdrückt, als wir uns in Yokohamas China-Town über japanischen Arbeitswahn und die Vorherrschaft der Frau in der Familie unterhalten.

Großraum Tokyo (37.2 Mio Einwohner) ...

...sowie das Ruhrgebiet (oben) und Köln (unten; zusammen ca. 7 Mio.) im gleichen Maßstab zum Vergleich.

An dieser Stelle, und wohl auch zuvor beim Wort "erneuten Aufenthalt" wird sich der geneigte Leser fragen, auf wann sich dies bezieht und wo die japanischen Bekanntschaften herkommen. Fear in Loathing in Tokyo, Juni 2009, lautet das Stichwort. Der Blog hat davon leider nie etwas erfahren, was nicht zuletzt am wochenlangen Schlafdefizit nach Rückkehr nach Peking gelegen haben mag. Damals blieben mir, als ich am Flughafen verzweifelt mit meiner unsäglichen Müdigkeit dem Automatenkaffee in den Schlaf zu entkommen, folgende Erkenntnisse:

- Wenn du jemals dachtest, es wäre laut - denke zurück an die Patchinko-Spielhölle
- Wenn du jemals dachtest, es wäre voll - denke zurück an den Bahnhof von Shinjuku (täglich soviele Passagiere wie die gesamte deutsche Bahn), oder die Kreuzung in Shibuya mit bis zu 15.000 Fußgängern pro Ampelphase
- Wenn du jemals dachtest, es wäre teuer - denk an das Essen für 50 Euro pro Gericht und Person
- Wenn du jemals das Nachtleben einer Stadt wäre abgefahren ...

Die Wucht der Ereignisse in diesen Tagen, die meine Körpertemperatur auf (die Stewardess) beunruhigende 35.4 Grad herunterwirtschafteten, ließen mir keine Wahl: Ich musste zurück, diesmal für länger.


Shibuya - Tokyos Szeneviertel

Zurück ins jetzt, zurück in den Alltag. IHI - was für ein Konzern. Aus Ishikawajima-Harima Heavy Industries wurde vor zwei Jahren die Kurzform, die auch den Fantastischen Vier nun gefallen würde. Als ich am ersten Tag, frisch eingekleidet in den hellblauen Overall mit Schirmmütze, durch die Produktpalette blättere, finde ich so ziemlich alles, was ein Ingenieur bauen kann - von Brücken über Autos, Raketen und Öltankern bis hin zu DVD-Playern: Willkommen im japanischen Mischkonzern.

"Jorn-San, Jorn-San! Food, food!" Donnert und ruft es an meiner Zimmertür. Ich reiße die Augen auf - es ist 7 Uhr morgens. "Scheiße - vergessen aus der Liste auszutragen...", es ist wieder Owaki-San. Er holt mich zum Frühstück. "Frühstück?", werden verzweifelte Zijing-Geschädigte nun fragen. Nein, es gibt hier keinen Fraß, hier wird dreimal täglich feinste japanische Hausmannskost aufgefahren, 5 Gänge inklusive, plus Reis. Ähnlich wie in Korea gibt es zwischen den Mahlzeiten außer der Uhrzeit eigentlich wenig Unterschiede...

Die bisherigen 11 Tage waren ermüdent (viel Arbeit, wenig Schlaf), aber total intensiv. Viele nette Leute, neu und bekannt, sorgen dafür dass es mir hier hervorragend geht. Ich fühle mich feist, obwohl cih eigentlich nur Gemüse und Fisch esse. Achja, und rohes Pferd. Aber davon später mehr.

Da ist das Ding - Schon wieder!

Diesmal aber richtig! Nachdem ich in Hong Kong ein 6 Monate gültiges F-Visum für Businesstrip erhalten hatte, mit dem ich allerdings alle 30 Tage aus dem Land ausreisen muss, nur um wieder einzureisen und mich erneut bei der Polizei zu registrieren, bin ich auf gut Glück mit der Sekretärin meiner Firma und einem weiteren offiziellen Einladungsschreiben zur Visabehörder in Peking gerannt. Dort wurde mir plötzlich, ohne irgendwelche Einwände oder Schwierigkeiten, das Umschreiben meines Visums genehmigt.
Da in den Ferien in China wirklich niemand arbeitet (außer meine Chefin und ich saßen wohl in Peking nurnoch 998 weitere Menschen täglich in ihren Büros) musste ich bis heute auf mein Visum warten. Und da ist es: Unbefristeter Spaß in Beijing bis zu meiner Ausreise Mitte Dezember!
Wenn ich will, darf ich nochmal aus- und einreisen, ich msus aber nicht - was für eine Erleichterung!


Das Drecksding... So schwer war's doch garnicht!

Dienstag, 13. Oktober 2009

Woran merke ich, dass ich wieder in China bin (2)

Z.B. am Phänomen "Beijing Rockfestival". Phänomen? Ja, denn ein beijinger Rockfestival unterscheided sich maßgeblich von einem deutschen Rockfestival. Wie? Phänomenal!




2 Uhr Nachmittags, Sicherheitssitzen neben der Hauptbühne


1) Bs ca. 5 Uhr nachmittags befinden sich mehr Sicherheitskräfte auf dem Gelände als Gäste

2) Alle ausländischen Acts werden einen Tag vorher mit der Begründung "due to unforseen consequences" abgessagt

3) Der Eintrittspreis wird darauf hin von 100 RMB nur auf 80 RMB reduziert, obwohl die geplanten drei Stages, auch um chinesische Acts gekürzt, auf eine zusammengelegt wird

4) Der Bierverkaufsstand verkauft ke... Nochmal: Der Getränkeverkaufsstand rühmt sich damit, keine alkoholischen "Erfrischungsgetränke" auszuschenken

5) Frisbeespielen auf relativ leerer Rasenfläche wird nach ca. 45 min. Spaß mit Sicherheitsbedenken verboten

6) Gegen 7 Uhr Abends wandern Sicherheitskräfte, angeführt vom rot gemantelten "Manager", über das Gelände und drücken einem freundlich eine unappetitliche PET Flasche (gefüllt mit einer Menge Zigarettenstummel und Asche) ins Gesicht, mit der Vorschrift (Bitte) den Tabak-Konsum im Freien bitte einzustellen

7) Die "Tanz-Zone" direkt vor der Bühne wird abgeriegelt, wenn sich zuviele Gäste innerhalb des abgezäunten Areals befinden, welches von ca. 30 sitzenden grün verkleideten Sicherheitskräften geschützt wird. "Zuviele" sind gefühlte 50% der benötigten Personen, um Rock am Ring vergleichbare Drängelei zu verspüren

8) Und trotzdem wird von 12 Uhr mittags bis 8 Uhr Abends getanzt und es macht einen riesen Spaß, weil einen gerade diese Umstände dazu anstacheln, noch mehr Spaß zu haben, als scheinbar gesetzlich erlaubt

Traum!

Respekt!



Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist, aber es ist geschafft! Als ich gestern einen Ausflug zur Tsinghua gemacht habe, un einer chinesischen Freundin useren Campus (und natürlich das tsinghua-Gate) zu zeigen, konnte ich einen Moment lang meinen Augen nicht trauen: eine dritte Reihe yanjing Bier ziert die oberste Reihe der pijiuji - Respekt!






Mittwoch, 7. Oktober 2009

Woran merke ich, dass ich wieder in China bin (1)

Folgende Werbung erreichte mich soeben per E-Mail und führte letztlich zur Diskussion, ob Ebay denn den angepriesenen Artikel auch nach Peking verschicken würde.

Jeden Tag die besten Angebote

Aber im Paulaner Bräuhaus ist ja grad Oktoberfest ...