Dienstag, 28. April 2009

Chinas Web 2.0

Wer denkt, dass sich chinesische Fakes nur auf Produkte beschränken, der ist weit gefehlt. Die Chinesen tragen nicht nur begeistert Marken wie Clio Croddle (siehe Bild). Nein, sie finden es auch als sebstverständlich, im Internet auf Fakes zurückzugreifen.

Von Kuriositäten


Web 2.0 auf chinesisch nicht etwa die Zhongwen-Version des Originals, sondern eine eigene Kopie. China ist wohl das einzige Land der Welt, in der Google nicht Marktführer ist. Hier suchen 60% der Leute mit Baidu. Weitere Beispiele gefällig?



Aufgrund der laxen Durchsetzung des Urheberrechts in China werden nicht lizenzierte, urheberrechtlich geschütztes Material, wie Filme und Musikvideos in voller Länge, gezeigt; auch Kopien von Videos von anderen Videoportalen sind reichlich vorhanden.
Wikipedia über Youku

Wer braucht schon ICQ und Facebook? Hier gibts Kaixin und QQ. Während die Welt mit Paypal zahlt, macht's der Chinese mit Alipay.

Montag, 27. April 2009

Schlange stehen auf den Tai Shan

Von Tai Shan


Vor uns liegen die Ausläufer des Tai Shan im Dunst. Bergkette um Bergkette zeichnet sich ab, mit der Entfernung immer schwächer werdend. Der Horizont ist nur schemenhaft zu erkennen. Langsam färbt sich der Horizont schlierenförmig rot. Es wird heller und heller. Gleich wird die Sonne aufgehen. Als das rote schon fast verschwunden ist, taucht ihre obere Kante über dem Horizont auf und taucht den Tai Shan in oranges Licht, trennt in dem Dunst plötlich Licht und Schatten. Ein recht schöner Moment, den man in der Regel in Stille genießt, denn wer steht schon um 5 Uhr freiwillig auf? Applaus braust auf, vereinzelt sind Jubelschreie zu hören. Als zu allem Überfluss auch noch das erste Megaphon eines chinesischen Reiseführers erklingt, und wahrscheinlich so etwas sagt wie "Da habt ihr die Sonne, los los wir brechen wieder auf, hier gibts nichts mehr zu erleben", wird endgültig klar: Wer nach Ruhe, Einsamkeit und spiritueller Erfahrung sucht, dem ist von einer Pilgerreise zum Taishan wohl eher abzuraten.

Von Tai Shan
Man ist hier nicht allein... :)

In den Maiferien letztes Jahr sind zum ersten Mal über 200.000 Leute auf dem Berg gewesen, in 5 Tagen. Da das Ding beileibe nicht so groß ist wie etwa der Hua Shan oder der Huang Shan, verliert sich diese Menge auch nicht. Demzufolge ist alles auf Massenandrang ausgelegt. Die Treppen haben die Breite der A5 nähe Frankfurt, dennoch hat man das Gefühl gerade für Robbie-Williams-Karten oder ein Zugticket für das Chinesische Neue Jahr anzustehen.

Von Tai Shan
Bänder in den Bäumen, bestückt 1 Yuan-Scheinen

Was uns ausgerechnet dorthin gezogen hat? Versprechen von langem Leben, sobald man das Süd-Himmels-Tor durchschritten hat und das Gefühl den 11 chinesischen Herrschern etwas vorraus zu haben, die es nur auf Sänften hinauf geschafft haben. Und natürlich der berühmte Sonnenaufgang, der einem neue Lebensgeister einhauchen soll. Als heiligster Berg Chinas ist der Tai Shan ist der meistbestiegene Berg der Welt und dementsprechend eine gute Gelegenheit zu erleben, was es heißt in einem 1.4 Mrd. Volk zu leben das Bergsteigen als Volkssport auserkoren hat.

Von Tai Shan
Guido schleppt sich und seine Kamera die Highway-Treppe hoch

Gemeinsam mit Guido, Flo und Shan und Alice ging es am Samstag mit dem D-Zug nach Tai'an, am Sonntagmorgen die gleiche Strecke zurück. Die Nacht verbrachten wir auf Holzbetten oben auf dem Gipfel für relativ wenig Geld. Der Trip war durchaus lustig, denn Spaß ist ja immerhin was man selbst draus macht. Ein kleines "wer sich am schnellsten durch die Menge kriegt"-Rennen auf dem Rückweg trug ebenso zur Stimmung bei wie deutsche Schulspiele (dank Daniel, der Alice das mit dem "du hast in meinen Kreis geguckt!"-Spiel beigebracht hat :) ) und das Tsingtao, für das man auch gerne den Hochtrageaufpreis zahlt.

Von Tai Shan
Inschriften im Berg

Richtig schön am Tai Shan war, sämtliche chinesischen Bergtraditionen in reinster Form vorzufinden. Es werden Schlösser für die liebsten graviert und aufgehängt (wenn sie abfallen geht der Wunsch in Erfüllung), Bänder für Liebespaare und Ahnen mit Geld bestückt und in die Bäume gehängt. Weiterhin sind überall Inschriften von berühmten Persönlichkeiten in den Berg gehauen. Und natürlich, das darf nicht fehlen, sind die Leute zu tausenden in der Nacht den Berg hoch um dann mit in Menschenmassen den Sonnenaufgang zu bejubeln.

Von Tai Shan
Die "Welcoming-Pine": Jeder Berg der was auf sich hält hat so ein Ding

Das wir es überhaupt so locker nach oben geschafft haben, verdankten wir einem weiteren Musterbeispiel von chinesischem Guanxi: Ein Typ, den Shan mal im Zug nach Shanghai kurz kennengelernt hatte, holte uns vom Bahnhof ab und fuhr uns zum Berg. Man hat halt überall seine Leute...

Ein paar wenige Fotos von mir gibt's hier.

Dienstag, 21. April 2009

Odin!



Bis vor ein paar Jahren bin ich ja als Betreuer bei der durchaus lustigen KSJ-Jugendgruppe ins Sommerlager mitgefahren. Wie in Deutschland nicht unüblich, war in den ersten drei Wochen der Sommerferien, in denen das große Sommerlager stattfand, häufig Regen. Was wir dann gemacht haben? Wir haben gemeinsam gebetet. Jedoch, ganz blasphemisch, zu ODIN!, unserem Wettergott. Er wurde flehend gebeten, uns endlich "schwatt" machende Sonne zu bescheren.

So manches im Leben wird einem erst Jahre später richtig bewusst. So ist mir vor ein paar Tagen eingefallen, warum unsere Stoßgebete damals nicht erhöhrt wurden. "Nicht erhört werden konnten" ist besser formuliert. Ich weiß jetzt wo Odin sich die ganze Zeit rumtreibt: Er lässt sich in Peking die Sonne auf den Bauch scheinen.

Heute morgen hat mir eine Freundin aus Deutschland geschrieben: "Hier war es so schönes Wetter in den letzten Tagen, wahnsinn!" Das hat mich nachdenklich gemacht. "In den letzten Tagen"... wie es wohl klingt wenn ich darauf ehrlich antworte? Sowas wie "Ach schön, ja hier war es die letzten sieben Monate auch nicht soooo schlecht." Oder
"Ach es regnet mal wieder in Aachen? Ja, neee Regen... puh, da muss ich lange überlegen wann ich sowas das letzte mal gesehen hab..."


Naja, ich freu mich ja irgendwie auch wieder auf Deutschland. Nach so einem Jahr ohne miese verregnete Tage, "in der Bude hocken", mit durchnäßten Klamotten in der Vorlesung sitzen, eingeweichten Büchern oder Dokumenten oder einfach einem "...ne heut Fußball ist schlecht, guck mal raus..." ist so ein Tag in der Heimat vielleicht mal eine nette Abwechslung :P

Sonntag, 19. April 2009

We did it!

Die letzten ca. 25 Blogeinträge hat alle Jörn geschrieben, meinen letzten gab es Anfang März. Ohne seinen Schreibeinsatz, wär dieser Blog wohl inhaltslos in Vergessenheit geraten, erkrankt und schließlich and den schrecklichen Folgen solch einer Krankheit gestorben, dahingerafft ohne Leser, verreckt. So muss ich jetzt tatsächlich noch suchen, was aus unserem schönen Frühjahrsurlaub noch nicht erzählt wurde - ein paar Ziele haben wir da noch angesteuert. Was habe ich gemacht die letzten Monate? War ich untätig? Wieso habe ich diesen Blog so sehr vernachlässigt, wie konnte ich nur? So leid es mir tat, es gab wichtigeres zu tun und gestern konnten wir die Früchte dieser Arbeit ernten - Wie did it!


Da kann ja nichts mehr schief gehen!


Dank unzähliger Einsätze, unermüdlichem Einsatz und verbissener Entschlossenheit haben wir sie gestern erhalten: Die "Frequent Drinker Card" aus dem La Bamba in Wudaokou, (Prost!). Mit dieser Karte eröffnen sich plötzlich völlig neue Dimensionen in Peking, Türen die vorher geschlossen waren werden uns jetzt offen gehalten, mit rotem Teppich davor. Man ist nicht mehr irgendwer, in Peking, einer unter vielen Millionen - nein, seht sie an, schaut, frequent drinker aus dem La Bamba! Wir können unser Glück noch garnicht fassen, zu den Auserwählten zu gehören, eine große Ehre wie sie nur einer Minderheit der chinesischen Gesellschaft erfahren darf. Ich hoffe die treue China-Weekly Leserschaft entschuldigt diesen Aussetzer, zu Gunsten eines besseren Lebens!

Naja, Faulheit hatte doch gesiegt die letzte Zeit. Zuviel Anderes um die Ohren, ganz einfach. Ich gelobe Besserung es Jörn gleich zu tun und mich öfter mal wieder einzuklinken. Achja, bevor hier ein falsche Eindruck entsteht wir wären "overfrequently" drinker, so sind wir an dieses Prachstück der chinesischen Kartenindustrie geraten (Mit der gibts das Bierchen im LaBamba übrigens immer für 10 Kuai, statt für 15, also eine lohnende Protemonaitentlastung):

Sven: "Drei Bier bitte"
Fuwuyuan: "Habt ihr auch eine frequent Drinker card?"
Sven: "Nein, aber wir hätten gerne eine"
Fuwuyuan: "Ok, moment"

Keine zwei Minuten später kam der Kellner wieder hoch und hielt drei Exemplare in der Hand.

Sven: "Ok, drei Bier bitte für 10 kuai"
Fuwuyuan: "Ok, dafür musst du aber
runter an die Theke gehen und dort dein Bier bestellen"


Na klar, das wäre ja auch zu schön gewesen. Also geht Sven runter, hält stolz seine Karte in die Höhe und erhält drei köstliche TsingTao für den fabehaften Preis von 30 kuai. Diese klassische Beispiel asiatische Logik war mal wieder Anlass für den Austausch einiger herrlicher Erfahrungen der Marke "Oh man", Dinge die wir alle in den vergangen Monaten mehr im Vorbeigehen mit einer gewissen Portion Selbstverständnis aufgenommen haben und die ausgelöst durch diesen Fall wieder belustigend in Bewusstsein vordrangen. Mittlerweile sind viele Dinge einfach zur Normalität geworden. Man sieht sie, und geht weiter, classic! So gingen wir gestern die Hauptstraße von der Uni nach Wudaokou und plötzlich öffnete sich kurz die Tür zur Hotellobby zu unserer rechten und die Chinesin rotzte erleichtert auf den Fußabtreter for der Tür - hauptsache nicht auf den Boden im Hotel, das wäre ja ekelhaft. Es hat einige Sekunden gebraucht um sich darauf zu besinnen, was man da gerade eigentlich wieder gesehen hat. Tür wieder zu, hao wan, ein großer Spaß!


In diesem Sinne:
Prost!

Donnerstag, 16. April 2009

Smalltalk auf dem Weg nach Yibin

Eine der besten Möglichkeiten, sein Chinesisch auszuprobieren, liefern die unzähligen Taxifahrten, die man hier so hinter sich bringt. Meistens ist es die übliche Neugier, die seitens des Fahrers das Gespräch antreibt; dann geht es meistens um Deutschland, chinesische Frauen, chinesisches Essen oder vergleichbares. Ab und zu gibt es aber auch durchaus interessantes zu erfahren, z.B. das es "angeblich gestern am Xizhimen (eine wichtige Verkehrskreuzung an einem ehemaligen Tor der Stadtmauer) geregnet hat", oder man darf erfahren warum der Fahrer die lebende Libelle in dem Käfig am Rückspiegel "bloß als Haustier" hält.

"Die Libelle hier halte ich mir als Haustier."


Gelegentlich geben sich die Taxifahrer auch gesprächig darüber, warum sie ständig aussteigen und (so stellte es sich hinterer heraus: vor den Kameras an großen Kreuzungen) ihre Nummernschilder abkleben: Man darf in Beijing aufgrund der Staubelastung an bestimmten Wochentagen sein Auto nicht benutzen. Montag die Endnummern 1 und 6, Dienstag 2 und 7, usw. Auch wurde mir schon berichtet, warum der Sicherheitsgurt immer mit einer Klammer befestigt wird, damit es so aussieht als hätte man sich angeschnallt, man ihn aber nur umlegen muss. "Es ist Gesetz,ihn um zu haben, aber ich fahre schließlich sicher, da brauche ich ihn nicht!" Interessant auch die Theorie, warum die Fahrer es nicht akzeptieren, dass man mit seiner U-Bahn-Konto-Karte bezahlt, obwohl sie überall damit Werbung machen. "Dann muss ich zur Bank und mir das Geld abholen, das dauert viel länger." Na, macht doch Sinn.

Eine denkwürdige Taxifahrt hatten wir auch im Urlaub, als wir von Xuyou, Elfi's Heimatstadt und dem Ort einer denkwürdigen Hochzeitsfeier, zum Yibin Bamboo Forest und weiter nach Luzhou gefahren wurden. (Die Sache hat damals 20 Euro pro Person gekostet, bei ca. 8 Stunden Fahrt wohlgemerkt.) Elfi's Papa hatte es sich auf der Hochzeitsfeier nicht nehmen lassen die deutschen Freunde seiner Tochter auf's Korn zu nehmen und zu versuchen, uns mit Luzhou Lao Jiu (dem Schnaps aus der Gegend) abzufüllen. Das das ganze nach hinten losging, darauf sei hingewiesen, aber wichtig ist an dieser Stelle anderes: Wir hatten alle auch leicht einen sitzen, als wir ins Taxi stiegen. So entwickelte sich die Fahrt durch die Dörfer von Südsichuan zu einer richtig lustigen Angelegenheit. Der Fahrer freute sich gewaltig, 4 Studenten der Tsinghua zu den Sehenwürdigkeiten seiner Heimat zu fahren und ließ sich von uns auf Deutsch beibringen, wie er die Fahrt fand:
"Ar'sche'gai'le"
. Im Yibin Forest Park, dem Wald in dem "House of Flying Daggers" gedreht wurde, gibt es vor allem eines: Bambus. Und davon, soweit das Auge reicht. Als wir ankamen, sahen wir das erste Mal Sonne nach 7 Tagen vernebeltem Sichuan. Wir amüsierten uns über den Fahrer, der dachte uns verloren zu haben, und auch sonst definitiv ein guter Trip.

Von Yibin Bamboo Forest


Auf der gesamten Fahrt kam immer wieder ein komisches Piepen vom Amaturenbrett - dann eine Frauenstimme, die laut etwas wie
"Effenberg!
" sagte. Es kam, soweit haben wir es rekonstruiert, wenn er zu nah auffuhr. Wir fanden es zum Brüllen, als uns der Fahrer aufklärte, dass er davon kein Wort versteht "Ting bu dong! You shenme yisi?!", es aber eine Maschine aus Taiwan ist, die ihm sein Boss eingebaut hat, deren Sinn er aber nicht versteht. Vielleicht hätte dieser es dem armen Mann dann auch gleich mal erklären können. Seine Ankunft in unserem Ziel Luzhou kündigte der mittlerweile bestens gelaunte Fahrer den Passanten mit einem Anschreien a la Comedy Street mit: "Der Mann aus Xuyou ist in der Stadt!!!"

Gestern, als wir Elfi mal wieder zum Essen in einem Sichuan Restaurant getroffen haben, hatten wir mal wieder so einen speziellen Taxifahrer. Nachdem er uns ein paar lustige Slangwörter aus Beijing beigebracht hatte, kam er dann gleich zur Sache: Er erklärte uns, ob wir wollten oder nicht:
"Pornos mag ich übrigens gar nicht. Ich mach's lieber selbst! Selbst machen, versteht ihr? Selbst machen!"


Mehr Fotos zum Bambuswald liefert Stefan hoffentlich bald nach.